Zum Sprungbrett des Lebens zweifeln

In einem alten Wald floss ein klarer, tiefer Fluss. Auf einer Seite des Flusses lebten zwei Steine, die sich ständig stritten: der eine rief „Ja!“, der andere „Nein!“. Sie rollten, wippten und zankten – und alles um sie herum vibrierte vor Spannung.

Eines Tages setzte sich ein kleiner Vogel auf einen Ast über dem Fluss und zwitscherte:
„Warum bleibt ihr nur in Zwei gefangen?“

Die Steine rieben sich ungläubig. „Zwei? Wir sind ja! Wir sind nein! Wir sind alles!“

Der Vogel lächelte: „Alles Lebendige hat mehr als zwei Seiten. Schaut auf den Raum zwischen euch. Dort liegt das Sprungbrett ins Leben.“

Neugierig spürten die Steine plötzlich etwas Neues: ein unsichtbarer Raum, der sich über den Fluss spannte. Kein Stein, kein Wasser, kein Ja und kein Nein – nur ein Träger des Lebens, ein Feld, in dem Neues entstehen konnte.

Einer der Steine zögerte. „Wir können doch nicht…“

„Doch“, piepste der Vogel. „Manchmal führt der Zweifel genau dorthin, wo das Leben wartet. Er ist nicht euer Feind, er ist euer Sprungbrett.“

Die Steine traten vorsichtig in den Raum, spürten das Zittern, die Unsicherheit – und dann sprangen sie. Nicht ins Wasser, nicht auf den Boden, sondern in das lebendige Feld, das über Zwei hinausging.

Seit diesem Tag wusste jeder, der den Fluss überquerte: Wer zweifelt, hält das Sprungbrett des Lebens in Händen.